Dokumentarische Methode und Künstliche Intelligenz
Auf dem Gebiet der Sprachverarbeitung mittels künstlicher Intelligenz (KI), dem Natural Language Processing (NLP) werden in jüngster Zeit große Fortschritte gemacht. Hierbei stehen insbesondere sog. General Pretrained Transformer (GPT) Modelle im Fokus. Das sind Sprachmodelle, die mit Machine Learning auf Basis extrem großer Datenmengen (z.B. die gesamte Wikipedia) vortrainiert werden. Diese Modelle sind bereits jetzt in der Lage, beliebige Anfragen von Nutzenden ohne ein spezielles Training zu beantworten und z.T. sehr komplexe Aufgaben eigenständig auszuführen.
Im von DTEC geförderten KISOFT Projekt an der UniBW in München wird untersucht, inwiefern sich solche Modelle eignen, das Interpretieren mit der Dokumentarischen Methode zu unterstützen. Diese Unterstützung kann dadurch erfolgen, dass z.B. Passagen eines Interviews oder einer Gruppendiskussion von der KI ‚vorinterpretiert‘ werden. Hierzu wird der KI in dem Projekt mittels sog. finetuning auf der Basis einer größeren Zahl von menschlichen Interpretationen vermittelt, wie das Interpretieren nach den Grundsätzen der Dokumentarischen Methode vonstattengeht (z.B. die Trennung von Formulierender und Reflektierender Interpretation). Der KI-Interpreter bietet eine Möglichkeit, mittels derer sich die Interpretierenden während ihrer Interpretationsarbeit Anregungen für die Analyse ihrer Materialien einholen können, gewissermaßen analog zu einer Forschungswerkstatt, nur dass hier die Vorschläge nicht von Kolleg*innen, sondern von der KI kommen.
Zum Weiterlesen:
- Schäffer: Möglichkeiten und Grenzen der Optimierung von Verfahren Tiefer Interpretation durch Softwareunterstützung
- Schäffer & Lieder: Distributed interpretation – teaching reconstructive methods in the social sciences supported by artificial intelligence"
- Lieder & Schäffer: Qualitative Methodenausbildung zusammen mit generativen Sprachmodellen. Zur Verteilten Interpretation in hybriden Forschungswerkstätten